1. Trotz tausenden Toten: Europas Süden wird weiter kaputtgespart
Die südeuropäischen Staaten Italien und Spanien sind vom Coronavirus besonders stark betroffen. Ihre Gesundheitssysteme waren heillos überlastet, zehntausende Menschen sind gestorben. Mit dem Einbruch ihrer Wirtschaft stecken diese Staaten aber schon hüfthoch in der nächsten Krise. Damit staatliche Versorgung und Wirtschaft nicht komplett zusammenbrechen, müssen sie sich hunderte Milliarden Euro an den Finanzmärkten ausborgen, die Zinsen dafür steigen gerade rapide. Während Banker schon das Geschäft ihres Lebens wittern, haben Staaten wie Deutschland, Österreich oder die Niederlande schon vor Wochen klar gemacht, dass sie Lösungen wie sogenannte “Corona-Bonds”, mit denen sich Länder in der Krise günstig Geld ausborgen können, mit aller Macht blockieren werden.
Die Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgericht vom letzten Dienstag gleicht damit einer Kriegserklärung an Südeuropa: Die vergangen Käufe von Staatsanleihen durch die Zentralbanken der Euroländer seien zum Teil illegal gewesen und Deutschland müsse sich womöglich sogar ganz aus dem Programm zurückziehen, so das Urteil. Dabei ist wichtig zu wissen, dass der Kauf von Staatsanleihen in der letzten Krise das mächtigste Mittel war, um einen kompletten Kollaps einiger Staaten zu verhindern – angesichts der Corona-Krise ist dieses Programm gerade erst neu aufgelegt worden. Das Urteil ist ein Signal, dass Deutschland auch in der aktuellen Wirtschaftskrise den Kurs der EU-Politik vorgeben wird. Was sich gerade anbahnt ist eine Neuauflage der brutalen Sparpolitik aus der letzten Krise, die durch die kaputt gesparten Gesundheitssysteme Mitschuld an den unzähligen Corona-Toten in südeuropäischen Staaten wie Spanien und Italien hat.
- Lukas Oberndorfer im A&W-Blog zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts
- Mariella Edinger erklärt im Kontrast Blog die Debatte um “Corona-Bonds”
- Ingo Stützle im Mosaik Blog zur politischen Macht der Europäischen Zentralbank (2015)
2. Muttertag: worüber wir reden sollten
Diesen Sonntag ist wieder Muttertag – ein kleiner Applaus dafür, dass Frauen 365 Tage im Jahr wie selbstverständlich einen Großteil der Pflege, Hausarbeit und der Kindererziehung schultern. Gleichzeitig bekommen sie im Schnitt ein Drittel weniger Lohn als ihre männlichen Kollegen und nur halb so viel Pension. Während der Corona Krise sind Mütter noch stärker belastet als sonst. Betreuungsmöglichkeiten für Kinder im Kindergarten fallen weg und nicht selten sorgen sie auch für den Ersatz von Schule und unterrichten ihre Kinder. Besonders Alleinerziehende haben es gerade schwer Kind und Homeoffice unter einen Hut zu bringen. Doch diese Probleme sind nicht neu. Sie waren schon vor Corona vorhanden und werden jetzt bloß stärker sichtbar.
- Die aktuelle Folge von unserem Podcast “Kein Katzenjammer” zum Thema Muttertag
- Der Standard zur Situation von Müttern in der Corona-Krise
- Der Mosaik-Blog zum Muttertag
3. Psychische Folgen der Corona-Krise: dauern noch 3 weitere Jahre
In der letzten Woche ist die erste größere Studie im österreichischen Kontext erschienen, die sich den psychischen Belastungen durch die Corona-Krise auf die Bevölkerung widmet. Depressive Symptome sind von 4 Prozent auf 20 Prozent angestiegen, Angstsymptome von 5 auf 19 Prozent und auch Schlafstörungen haben erheblich zugenommen. Die Krise betrifft jedoch auch im Bereich der psychischen Gesundheit nicht alle Menschen gleichermaßen: Besonders betroffen sind junge Menschen, Frauen, Alleinstehende und Arbeitslose. Die Langzeiteffekte sind derzeit noch nicht abschätzbar. Studien aus vergangenen Gesundheitskrisen, die mit Lockdowns einhergingen, zeigen jedoch, dass tiefgreifende Wirkungen auf die Psyche noch drei Jahre danach anhalten.
Wir stehen also am Beginn einer tiefen Krise, mit der umzugehen wir völlig unvorbereitet sind. Bereits vor der Corona-Krise gab es nur 70.000 voll finanzierte Psychotherapieplätze, was etwa einer Versorgung von 0,8 Prozent der Bevölkerung entspricht. Laut Studien leiden jedoch 17 Prozent der österreichischen Bevölkerung an einer psychischen Krankheit – und das vor dem Lockdown. Es sind Armutsbetroffene, die die Corona-Krise besonders zu spüren bekommen und besonders schlechten Zugang zu psychotherapeutischer Behandlung haben. Je länger gewartet wird, desto schlimmer werden die Langzeitfolgen. Psychische Gesundheit ist in dieser Gesellschaft ein Kostenfaktor. Ob für diesen in der Post-Lockdown-Rechnung neben dem kostspieligen Wiederanwerfen des Profitscheffelns Platz bleiben wird, bleibt abzuwarten.
- Clara Polak in DATUM über “das bange Warten“: die oftmals vergebliche Suche nach einer kassenfinanzierte Psychotherapie in Österreich
- Der Psychiater Raj Persaud in Psychology Today über die Psychologie des Umgangs mit der Quarantäne und die Erfahrungen aus Lockdowns der letzten 20 Jahre (englisch)
- Medizinsoziologie Nico Dragano in der Süddeutschen über die gesundheitlichen Konsequenzen der Corona-Krise und ihren Zusammenhang mit Kürzungen im Sozialbereich