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268 - Die Metaller müssen blechen

04.10.2025

Der desaströse Metaller-KV-Abschluss: Ein Ausgangspunkt

Der jüngste Kollektivvertragsabschluss (KV) der Metaller in Österreich, der eine Lohnerhöhung von lediglich 1,4 Prozent vorsieht und damit nur die Hälfte der rollierenden Inflation abdeckt, wird als desaströs und als echte Lohnkürzung über zwei Jahre bewertet. Dieser schnelle Abschluss in der ersten Runde setzt zudem einen richtungsweisenden Standard für die kommenden Lohnverhandlungen in anderen Branchen. Gleichzeitig werfen diese Abschlüsse kritische Fragen über die Rolle der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften auf, insbesondere im Hinblick darauf, warum solche weitreichenden Kürzungen oft auch unter sozialdemokratischer Beteiligung erfolgen.

Die historische Verflechtung von Sozialdemokratie und Gewerkschaften in Österreich

Die Verflechtung zwischen der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) ist in Österreich historisch außergewöhnlich stark ausgeprägt. Diese enge Bindung bedeutet, dass Informationen, Wissen und wirtschaftliche Einschätzungen aus denselben politischen Apparaten stammen. Kritiker vermuten, dass die Einbindung der Sozialdemokratie in der Regierungsverantwortung oft zu einer „Zurückhaltung“ bei Lohnverhandlungen auf Seiten der Gewerkschaften führt, da sie möglicherweise weniger hart gegen eine Regierung auftreten, in der ihre Parteifreunde vertreten sind. Dies ist nicht unbedingt böser Absicht geschuldet, sondern einer gemeinsamen Einschätzung der gesamtwirtschaftlichen Lage.

Sozialpartnerschaft im Wandel: Zwischen Vorteilen und neoliberalem Druck

Die in Österreich traditionell stark ausgeprägte Sozialpartnerschaft, ein institutionalisierter Kompromiss zwischen Kapitalseite, Arbeitnehmervertretung und Staat, bot den lohnabhängigen in der Nachkriegszeit Vorteile durch Umverteilung und sozialstaatliche Maßnahmen. Dieses Modell enthielt jedoch immer eine „eingebaute Bremse“, da es auch die Profitinteressen der Unternehmen berücksichtigte. Als der Kapitalismus in den 1980er Jahren in einer Krise geriet und die Verteilungsspielräume aus Unternehmenssicht schrumpften, veränderte sich die Funktion der Sozialpartnerschaft. Neoliberale Reformen und Sparpakete wurden eingeführt, teilweise sogar unter sozialdemokratischer Kanzlerschaft. Die Kündigung der Sozialpartnerschaft erfolgte dann in den frühen 2000er Jahren „von oben“ durch Unternehmen, die radikalere neoliberale Politik forderten. Während der Weltwirtschaftskrise 2008 erlebte der sogenannte „Krisenkorporatismus“ eine Wiederbelebung, da Politik und Kapital die Gewerkschaften wieder zur Stabilisierung und „Verantwortungsübernahme“ benötigten – eine Haltung, die bis heute das Selbstverständnis der Gewerkschaftsspitzen prägen mag.

Lehren aus Deutschland und Europa: Wenn “linke” Regierungen Kürzungspolitik umsetzen

Internationale Beispiele zeigen, dass schmerzhafte politische Einschnitte und Kürzungen, die die breite Masse der Lohnabhängigen betreffen, oft von sozialdemokratischen Regierungen umgesetzt werden. Ein prominentes Beispiel sind die Hartz-Reformen und die Agenda 2010 in Deutschland unter der rot-grünen Regierung Gerhard Schröders, die einen riesigen Niedriglohnsektor schuf. Ähnliche Entwicklungen gab es unter Mitterrand in Frankreich oder bei Pensionskürzungen in Italien. Auch die linke Partei SYRIZA in Griechenland, die mit dem Ziel angetreten war, der neoliberalen Kürzungspolitik entgegenzuwirken, wurde unter dem Druck internationaler Institutionen zur Umsetzung von Sparmaßnahmen gezwungen. Diese Muster deuten darauf hin, dass die Einbindung sozialdemokratischer oder linker Parteien den Vorteil hat, Proteste zu dämpfen und Maßnahmen durchzusetzen, die eine offen rechte Regierung möglicherweise nicht so leicht umsetzen könnte.

Gute Absichten vs. Strukturelle Zwänge: Die aktuelle Situation der SPÖ

Die Umsetzung von Kürzungspolitik durch linke oder sozialdemokratische Regierungen ist nicht immer auf böse Absichten zurückzuführen. Im Fall von Schröder oder Blair (New Labour) war es das Ergebnis einer ideologischen Wende hin zum „Dritten Weg“ und der Überzeugung, dass globale Wirtschaftsprozesse gestaltet, nicht bekämpft werden sollten. Im Fall von SYRIZA war es das Ergebnis brutalen externen Drucks. Im aktuellen österreichischen Kontext, mit einer vermeintlich linken SPÖ-Führung (Babler, Marterbauer), scheint die Partei in die Regierungskoalition gegangen zu sein, um Schlimmeres zu verhindern – insbesondere einen Kanzler der FPÖ – und „staatspolitische Verantwortung“ zu übernehmen. In einer Position der Schwäche und ohne ein ausformuliertes eigenes politisches Projekt werden Maßnahmen wie Lohnverzicht als notwendig erachtet, um den Wirtschaftsstandort Österreich zu schützen. Die mangelnde Organisation außerparlamentarischer Politik und eine geringe Mobilisierungsfähigkeit der SPÖ erschweren es außerdem, Forderungen gegen den Widerstand der Koalitionspartner und der Kapitalseite durchzusetzen.

Voraussetzungen für eine erfolgreiche linke Regierung und der Blick nach vorn

Damit linke Parteien in der Regierungsverantwortung erfolgreich sein können, bedarf es mehrerer Voraussetzungen:

  • Ein klares politisches Projekt: Über das reine „Schlimmstes verhindern“ hinausgehend.
  • Gesellschaftliche Vorarbeit (Gramsci): Bevor eine soziale Gruppe herrschend sein kann, muss sie geführt sein – dh, sie muss gesellschaftlichen Konsens organisieren und die Zustimmung der Bevölkerung gewinnen, um Forderungen auch gegen starke Interessen durchsetzen zu können.
  • Handwerkliche Vorbereitung: Die Entwicklung konkreter, juristisch und administrativ ausgearbeiteter Gesetzesvorschläge, um im Fall einer Regierungsbeteiligung handlungsfähig zu sein und nicht von der Bürokratie überrollt zu werden.

 

Ohne diese Voraussetzungen ist es für linke Regierungen schwierig, sich der neoliberalen Kürzungspolitik zu entziehen. Die aktuelle Politik der SPÖ birgt die Gefahr, den Aufstieg rechtsextremer Kräfte zu befeuern, anstatt ihn zu stoppen. Eine „antifaschistische Wirtschaftspolitik“ würde einen Bruch mit der Kürzungspolitik bedeuten und stattdessen Maßnahmen wie die Besteuerung von Vermögen und Unternehmen ergreifen. Parteien wie die KPÖ stehen vor der Aufgabe, Strukturen aufzubauen, die unabhängig von Parteibindungen die Interessen der arbeitenden Klasse konsequent zu vertreten und sowohl ideologische Reinheit als auch blinde Anpassung zu vermeiden. Es ist eine immense Arbeit, die lange vor einer potenziellen Regierungsbeteiligung beginnen muss.

 

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