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267 - Drohnenkrieg

27.09.2025

Drohnen als neue Dimension der Kriegsführung

In den vergangenen Jahren sind Drohnen zu einem Symbol des technologischen Wandels im Krieg geworden. Was früher vor allem als Aufklärungsmittel galt, ist inzwischen zu einer Waffe mit eigenständiger Schlagkraft geworden. Drohnen unterscheiden sich von klassischen Systemen wie Kampfjets oder Raketen durch ihre Flexibilität und Anpassungsfähigkeit. Sie können über längere Zeit über einem Ziel kreisen, beobachten und im richtigen Moment zuschlagen – entweder manuell gesteuert oder zunehmend automatisiert. Besonders die Fähigkeit, Angriffe teilweise selbstständig auszuführen, gilt als entscheidender Technologiesprung. Ein programmiertes Ziel kann verfolgt und im exakten Moment angegriffen werden, ohne dass ein Mensch ständig eingreifen muss. Damit verschieben Drohnen die Dynamik der Kriegsführung: Angriffe werden schneller, flexibler und oftmals kostengünstiger, während Risiken für das eigene Personal minimiert werden.

Effizienz, Kosten und historische Einordnung

Befürworter von Drohnen verweisen häufig auf deren Effizienz. Schon eine vergleichsweise preisgünstige Drohne kann Fahrzeuge oder Panzer zerstören, die Millionen kosten. Diese Asymmetrie macht sie gerade für kleinere Armeen attraktiv. Gleichzeitig zeigt sich, dass dieser Vorteil verschwindet, wenn beide Seiten über ähnliche Technologien verfügen. So hatte die Ukraine zu Beginn des Krieges noch einen Vorsprung, doch Russland holte schnell auf und rüstete massiv nach. Drohnen werden dadurch nicht zwangsläufig billiger oder effizienter, sondern entwickeln sich zu einer Art Standardwaffe, die ständig weiterentwickelt werden muss. Historisch stehen Drohnen in einer langen Reihe militärischer Innovationen: Vom Zweiten Weltkrieg über die Entwicklung von Marschflugkörpern und Satelliten bis hin zu Präzisionsraketen ging es stets darum, Ziele auf Distanz präziser treffen zu können. Drohnen vereinen viele dieser Technologien und setzen sie flexibel ein. Während Marschflugkörper nur einmal verwendet werden können, kombinieren Drohnen den Vorteil wiederholter Aufklärung mit gezielten Angriffen.

Aufklärung, Markt und Industrieinteressen

Trotz ihres Images als Angriffswaffe bleibt die wichtigste Funktion von Drohnen nach wie vor die Aufklärung. Kleine Multicopter ermöglichen es, feindliche Stellungen in unmittelbarer Nähe zu überwachen, während größere Flügler hunderte Kilometer tief ins gegnerische Gebiet eindringen können. Gerade in der Ukraine sind solche Geräte unverzichtbar geworden, um Bewegungen des Gegners in Echtzeit zu verfolgen. Der Boom an Drohnentechnologie hat zugleich einen gewaltigen Markt geschaffen. Klassische Rüstungskonzerne wie Airbus oder Rheinmetall haben ihre Aktivitäten im Drohnensektor massiv ausgebaut, während Start-ups wie Quantum Systems oder Helsing neue Produkte entwickeln. Manche von ihnen werben sogar damit, dass ihre Modelle „battle proof“ seien, also im Ukrainekrieg getestet wurden. Diese Vermarktung zeigt, wie eng der Krieg mit wirtschaftlichen Interessen verknüpft ist. Drohnen sind dadurch nicht nur ein militärisches, sondern auch ein ökonomisches Phänomen: Sie sichern Profite für Unternehmen und eröffnen neue Geschäftsfelder, in denen selbst kleinere Firmen eine Rolle spielen können.

Neue Herausforderungen für die Lufthoheit

Die massive Verbreitung von Drohnen verändert auch das Verständnis von Lufthoheit grundlegend. Während klassische Luftüberlegenheit auf Kampfjets beruhte, stellen kleine, niedrig fliegende Drohnen eine neue Gefahr dar, die häufig nicht vom Radar erfasst werden. Abwehrsysteme entwickeln sich daher parallel weiter: elektronische Störsender, GPS-Manipulation, Netzwürfe oder spezialisierte „Gegendrohnen“, die feindliche Geräte direkt rammen oder mit Sprengsätzen neutralisieren. Doch sobald Drohnen nicht mehr auf externe Steuerung angewiesen sind, sondern programmiert und autonom fliegen, stoßen diese Maßnahmen an ihre Grenzen. Besonders bedrohlich erscheint die Entwicklung von Drohnenschwärmen, die koordiniert handeln, sich gegenseitig abstimmen und ihre Ziele gemeinsam verfolgen. Solche Schwärme könnten Abwehrsysteme schlicht überlasten, da für jede einzelne Drohne ein Abwehrmechanismus erforderlich wäre. Bislang ist ihr Einsatz zwar noch nicht belegt, doch sie gelten als einer der nächsten großen Schritte im technologischen Wettrüsten. Schon heute zeigt der Ukrainekrieg, dass hunderte Drohnen in einer einzigen Nachtangriffsserie eingesetzt werden können – ein Szenario, das klassische Verteidigungsstrategien in Frage stellt.

Psychologische Wirkung und gesunkene Einsatzschwelle

Neben den militärischen Aspekten entfalten Drohnen auch eine enorme psychologische Wirkung. Das ständige Summen über Städten oder Frontlinien wird von Zivilisten wie Soldaten als permanente Bedrohung empfunden. In Afghanistan, im Irak oder im Gazastreifen berichteten Menschen, dass sie sich dem „fliegenden Rasenmäher“ nicht entziehen konnten, da Drohnen rund um die Uhr präsent waren. Solche Dauerangst wirkt zermürbend und wird gezielt als Teil der Kriegsführung eingesetzt. Hinzu kommt die Veröffentlichung von Drohnenvideos in sozialen Medien, die den Gegner einschüchtern und demoralisieren sollen. Parallel dazu sinkt die Einsatzschwelle für militärische Operationen. Während bemannte Kampfjets immer ein Risiko für Piloten bedeuten, erlaubt der Einsatz von Drohnen Angriffe ohne eigene Verluste. Der Verlust einer Drohne ist finanziell schmerzhaft, aber politisch weit weniger heikel als gefallene Soldaten. Besonders deutlich wird dies an der türkischen Bayraktar-Drohne, die zeitweise als „Held“ der Ukraine gefeiert wurde und weltweit in über 30 Länder exportiert wird. Je günstiger solche Geräte produziert werden, desto häufiger kommen sie zum Einsatz – mit allen Konsequenzen für Zivilisten und militärische Gegner.

Zukunftsaussichten und politische Herausforderungen

Die Zukunft der Kriegsführung wird zweifellos von Drohnen geprägt sein. Neben Luftdrohnen entstehen auch See- und Landdrohnen, die Minen legen oder Schiffe angreifen können. Große Rüstungskonzerne entwickeln besatzungslose Kampfflugzeuge, die bemannte Jets begleiten und schützen sollen – ein Konzept, das unter dem Namen „Loyal Wingman“ bekannt ist. Zugleich sind autonome Schwärme im Kommen, die gemeinsam handeln und damit eine neue Dimension der Kriegsführung eröffnen. Politisch werfen diese Entwicklungen große Fragen auf. Versuche, internationale Abkommen gegen bewaffnete Drohnen oder vollautonome Killerroboter durchzusetzen, sind bislang gescheitert. Staaten umgehen Definitionen, indem sie betonen, dass ein Mensch zumindest den Startbefehl geben müsse. Kritische Bewegungen fordern daher, stärker die Rüstungsindustrie ins Visier zu nehmen. Unternehmen wie Airbus profitieren nicht nur vom Verkauf militärischer Drohnen, sondern setzen sie auch im Auftrag der EU-Grenzschutzagentur Frontex ein, um Flüchtlingsboote zu orten – mit fatalen Folgen für Betroffene. Damit zeigt sich: Drohnen sind mehr als nur Waffen. Sie sind Ausdruck eines politischen und ökonomischen Systems, das auf Aufrüstung und Profite setzt. Widerstand gegen Drohnen bedeutet daher auch Widerstand gegen Militarisierung insgesamt.

 

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