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255 - Iran, Israel und der Nahe Osten

27.06.2025

Iran, Israel & der Nahe Osten

Die politische Lage im Nahen Osten hat sich zuletzt dramatisch zugespitzt. Ein massiver israelischer Luftangriff auf Teheran markierte den Beginn einer neuen Eskalationsstufe im ohnehin fragilen Verhältnis zwischen Israel, Iran und den Großmächten. Unterstützt von den USA gelang es israelischen Streitkräften, große Teile der iranischen militärischen Führung in einem einzigen Schlag auszuschalten – darunter den Generalstabschef, den Chef der Revolutionsgarden, führende Geheimdienstleute und zentrale Köpfe des Atomprogramms. Zwei Tage später zerstörten die USA drei der wichtigsten Atomanlagen des Iran mit bunkerbrechenden Bomben. Es handelte sich um einen hoch koordinierten Angriff, der militärisch und symbolisch eine neue Phase eingeläutet hat.

Der Iran reagierte mit Raketenangriffen auf Israel und auf eine US-Basis in Katar. Diese wurden weitgehend abgefangen, doch es kam zu zivilen Opfern – auf beiden Seiten. Der Schlagabtausch entwickelte sich schnell zu einem regionalen Flächenbrand, bei dem auch die Verbündeten des Iran – Hisbollah im Libanon, die Houthi-Rebellen im Jemen und verschiedene schiitische Milizen im Irak – unter Druck gerieten oder Verluste hinnehmen mussten. Die Luftüberlegenheit Israels und der USA wurde dabei deutlich. Die gezielte Ausschaltung der iranischen Luftabwehr machte es möglich, tief ins Land vorzudringen und die Lufthoheit zeitweise zu übernehmen.

Regionale Allianzen und Rivalitäten

Um diese Entwicklungen einordnen zu können, ist es wichtig, drei Ebenen gleichzeitig zu betrachten: die globale, die regionale und die lokale. Auf globaler Ebene agieren die Supermächte – USA, China, Russland, die großen EU-Staaten. Diese verfolgen wirtschaftliche und sicherheitspolitische Interessen, oft jenseits von Menschenrechtsrhetorik. Auf regionaler Ebene dominieren Staaten wie Israel, Iran, Saudi-Arabien, die Türkei und kleinere Golfstaaten. Sie agieren mit Milizen, über ideologische Netzwerke oder durch wirtschaftliche Einflussnahme. Auf lokaler Ebene schließlich wirken nichtstaatliche Akteure wie Hisbollah, Hamas, die PKK oder die Houthis – oft als verlängerter Arm größerer Mächte, aber mit eigener Agenda.

Die Machtverhältnisse im Nahen Osten haben sich zuletzt verschoben. Der Iran, der lange Zeit über ein breites Netz an verbündeten Gruppen verfügte, musste zuletzt viele Rückschläge hinnehmen. Die Enthauptung der Hisbollah-Führung, der Sturz des Assad-Regimes in Syrien und die massive Schwächung der Hamas in Gaza haben die Position des Iran geschwächt. Der Tod von Qassem Soleimani 2020, dem Architekten des iranischen Miliznetzwerks, war ein erster herber Schlag. Die aktuellen Entwicklungen setzen diese Linie fort. Die iranische Führung behauptet öffentlich, den Angriff unbeschadet überstanden zu haben, doch die Realität spricht eine andere Sprache.

Globale Interessen und wirtschaftliche Routen

Auch wirtschaftlich und strategisch ist die Region stark umkämpft. Chinas „Neue Seidenstraße“ und Indiens konkurrierendes IMEC-Projekt zeigen, wie sehr geopolitische und wirtschaftliche Interessen ineinander greifen. Die Türkei, der Iran und andere Staaten versuchen, durch den Ausbau von Infrastruktur und Handelsrouten Einfluss zu sichern. In diesem Zusammenhang spielt auch die Straße von Hormus eine zentrale Rolle. Der Iran hat mehrfach angedeutet, diese Meerenge – durch die 20 % des weltweit verschifften Erdöls transportiert werden – blockieren zu können. Bisher blieb es bei der Drohung. Eine tatsächliche Blockade hätte unmittelbare globale Auswirkungen – nicht nur auf die USA, sondern vor allem auf China.

Innere Lage im Iran: Repression oder Reform?

Ein Regimewechsel im Iran, wie er von Teilen der US-Führung offen angedeutet wird, erscheint wenig realistisch. Zwar sind Luftschläge möglich, eine Landinvasion aber ist angesichts der geographischen Gegebenheiten extrem unwahrscheinlich. Auch intern bleibt das iranische Regime vorerst stabil. Äußere Angriffe führen meist eher zu einem Schulterschluss der Bevölkerung, als dass sie eine Regierung zu Fall bringen. Die aktuelle Eskalation könnte sogar dazu führen, dass das Regime seine Machtbasis festigt und unter dem Vorwand der nationalen Sicherheit verstärkt gegen Oppositionelle, Frauenrechtsbewegungen und Minderheiten vorgeht.

Gleichzeitig ist unklar, wie sich die inneren Verhältnisse im Iran entwickeln werden. Es existieren unterschiedliche Machtzentren – ein harter ideologischer Kern, aber auch pragmatische Kräfte innerhalb des Systems. Möglicherweise führt der äußere Druck zu einem vorsichtigen Kurswechsel, vielleicht aber auch zu verstärkter Repression. Eine wesentliche Rolle spielen dabei auch ethnische Spannungen im Land – etwa mit der kurdischen, arabischen oder aserbaidschanischen Minderheit, die teils unterdrückt wird und potenziell zur Destabilisierung beitragen könnte.

Ein Flächenbrand mit globaler Tragweite

Die Eskalation verdeutlicht auch die Schwäche der internationalen Institutionen. Die UNO und andere Organisationen haben kaum noch Einfluss auf den Verlauf der Ereignisse. Diplomatische Lösungen treten in den Hintergrund, während die militärische Machtpolitik dominiert. Das erhöht das Risiko weiterer Eskalationen – selbst wenn keine direkte Einmischung Russlands oder Chinas erfolgt. In der globalen Ordnung bilden sich neue Machtblöcke, Interessenlagen verschieben sich, und die klassische Nachkriegsdiplomatie verliert an Bedeutung.

Fazit: Keine einfachen Antworten

Was bleibt, ist das Leid der Zivilbevölkerung. Millionen Menschen in der Region leben unter Besatzung, Krieg, wirtschaftlicher Not und politischer Repression. Linke, fortschrittliche Bewegungen sind in vielen Ländern geschwächt oder zerstört worden. Eine Ausnahme bildet die kurdische Bewegung in Nordsyrien (Rojava), die versucht, ein basisdemokratisches, multiethnisches Modell zu etablieren. Doch solche Projekte bleiben isoliert. Insgesamt fehlt es der Region an politischen Alternativen, die die Interessen der Bevölkerung vertreten.

Für die internationale Linke ergibt sich daraus eine schwierige Lage. Es ist notwendig, sich gegen imperialistische Angriffe zu positionieren, ohne autoritäre Regime zu legitimieren. Entscheidend ist, die Perspektive der betroffenen Menschen in den Mittelpunkt zu stellen – jenseits geopolitischer Lagerlogik. Es geht darum, internationale Solidarität dort zu zeigen, wo Menschen unter Krieg, Ausbeutung und Unterdrückung leiden – unabhängig davon, auf welcher Seite die Bomben fallen.



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