Der Papst ist tot, lang lebe der Papst!
Die katholische Kirche ist bis heute eine der mächtigsten Organisationen der Welt. Ihre Strukturen reichen auf alle Kontinente, sie ist streng hierarchisch aufgebaut, mit dem Papst an der Spitze. Als Oberhaupt der Kirche gilt er in bestimmten Fragen als unfehlbar – doch Entscheidungen werden meist im Zusammenspiel mit weiteren kirchlichen Institutionen getroffen, was sie oft intransparent und schwer nachvollziehbar macht.
Trotz dieses gewaltigen Apparats sehen wir, dass der Einfluss der Kirche in vielen Gesellschaften schwindet. Säkularisierung ist kein abstrakter Begriff – sie spiegelt einen realen Wandel wider: Immer weniger Menschen definieren ihr Leben über Religion, auch innerhalb christlich geprägter Gesellschaften. Trotzdem hat sich die Kirche weltweit Strukturen bewahrt, die aus der kolonialen Expansion Europas hervorgegangen sind. Dabei zeigt sich ein widersprüchliches Bild: Einerseits inszenierte sich die Kirche als Schutzmacht indigener Völker gegenüber weltlichen Kolonialmächten, andererseits war sie tief verstrickt in Ausbeutung, Sklaverei und Landraub – und profitierte massiv davon.
Ein Blick auf das wirtschaftliche Wirken der Kirche macht deutlich, wie sehr sie auch heute noch eine globale Macht darstellt. Sie verfügt über riesige Immobilienbestände und Grundbesitz, verwaltet über die Vatikanbank ein weitgehend undurchsichtiges Vermögen und ist in vielen Ländern, auch in Österreich, wirtschaftlich aktiv – etwa durch Beteiligungen an Casinos Austria, der Styria Media Group, Willhaben und großen Waldflächen. Dieses wirtschaftliche Eigeninteresse wird kaum öffentlich diskutiert – die Kirche operiert in vielen Bereichen wie ein internationaler Konzern.
Politisch ist die Kirche eng mit konservativen Parteien wie der ÖVP verflochten. Diese Parteien haben sich über Jahrzehnte auf kirchliche Werte berufen, die von „Nächstenliebe“ bis zur „traditionellen Familie“ reichen. Heute erleben wir jedoch eine Verschiebung: Religiöse Inhalte treten in den Hintergrund, an ihre Stelle tritt ein „generisches Christentum“, das kaum noch spirituelle Tiefe hat – aber als kulturelles Kampfmittel gegen den Islam, gegen linke Politik und gegen gesellschaftliche Öffnung benutzt wird. Diese Art von Religionspolitik ist nichts anderes als rechte Identitätspolitik im christlichen Gewand.
Papst Franziskus wurde häufig als Hoffnungsträger für einen neuen Kurs gesehen. Und ja: Er verzichtet auf Prunk, lebt im Gästehaus statt in den päpstlichen Gemächern und hat in seinen Reden und Enzykliken betont, dass etwa der Zugang zu Wasser ein Menschenrecht sei, das nicht dem Markt unterworfen werden dürfe. Seine Kritik am Kapitalismus ist jedoch nicht radikal – sie bleibt symbolisch, nicht systemisch. Sie speist sich aus lateinamerikanischer Befreiungstheologie, aber auch aus einer konservativen christlichen Weltanschauung, die weniger Gerechtigkeit im Diesseits als im Jenseits verspricht.
Für uns Linke bleibt das Verhältnis zur Kirche kritisch. In der Geschichte gab es immer wieder punktuelle Allianzen – etwa mit christlichen Frauenorganisationen, die gemeinsam mit feministischen Gruppen für eine Reform des Familienrechts kämpften. Auch heute wären solche Kooperationen denkbar, etwa bei der Verteidigung arbeitsfreier Sonntage gegen neoliberale Liberalisierungspolitik. Aber das bleibt taktisch – nicht strategisch.
Denn grundsätzlich müssen wir kritisch bleiben: Die Kirche bleibt eine Institution, die Frauen systematisch ausschließt, queere Menschen diskriminiert und sich nicht ernsthaft mit ihrer kolonialen Vergangenheit auseinandersetzt. Auch ihre ökonomische Rolle als Großgrundbesitzerin und Investorin macht sie zu einem Akteur, der sozialen Fortschritt oft eher blockiert als fördert.
Unser Ziel ist Befreiung – aber nicht im Jenseits, sondern hier und jetzt. Während das Christentum den Himmel verspricht, kämpfen wir für ein besseres Leben auf Erden. Wir glauben nicht an göttliche Erlösung, sondern an kollektive Selbstermächtigung. Deshalb bleibt für uns klar: Es rettet uns kein höhres Wesen, kein Gott, kein Kaiser noch Tribun – uns aus dem Elend zu erlösen, können wir nur selber tun.
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