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246 – Friss und Stirb: Die Lebensmittelindustrie

05.04.2025

FRISS UND STIRB – DIE LEBENSMITTELINDUSTRIE 

Seit einigen Jahren boomt der Markt der vermeintlich gesunden Produkte: Proteinshakes, Supplements, Bowls und Co lösen einen regelrechten Hype aus. Influencer bewerben die verschiedensten Ernährungstrends und ein gesunder Lifestyle wird immer mehr zu einem Statussymbol. Wie können wir als Linke dieses Phänomen einordnen? Wer oder was ist die Lebensmittelindustrie und welche Ziele verfolgt sie? Was muss wirklich passieren, um einen gesunden Lebensstil für alle zu ermöglichen?

Der Healthy Food Hype 

Gesunde Ernährung ist im Trend und prägt zunehmend unseren Alltag und Konsum. Auf Social Media, in Supermarktregalen und hippen Bowl Läden wird Ernährung zur Lifestyle Frage. Superfoods, Proteinriegel und Detox Smoothies versprechen Gesundheit und Selbstoptimierung. Doch hinter der Fassade steckt eine milliardenschwere Industrie, die Gesundheit verkauft – oft teuer, exklusiv und an den Bedürfnissen der Massen vorbei. Doch was gilt eigentlich als gesund – und wer entscheidet das? 

 

Inmitten des Healthy Food Hypes wird oft von hochverarbeiteten Lebensmitteln abgeraten. Laut NOVA-System sind diese „ultra processed foods“, Produkte, die nicht mehr aus vollen Lebensmitteln bestehen, sondern nur noch aus den Bestandteilen dieser. Das sind beispielsweise Öle, Zucker, Fette oder Stärke. Zudem werden im Labor hergestellte Substanzen wie Aromen, Süßstoffe oder Farbstoffe beigefügt. Diese Klassifizierung und unreflektierte Verteufelung von hochverarbeiteten Lebensmitteln kann allerdings problematisch sein: so werden damit Cookies, Chicken Nuggets oder Chips in dieselbe Kategorie wie beispielsweise Tofu oder verpacktes Brot geworfen. Es gibt also große Unterschiede, die den tatsächlichen Nährwert und Effekt auf unsere Gesundheit betreffen. 

 

Hochverarbeitete Lebensmittel passen außerdem leicht in unseren Alltag: billig, schnell zubereitet und voller Geschmacksverstärker, Fetten und Zucker geben sie uns schnell viel Energie und schmecken gut. Im stressigen Arbeitsalltag bleibt vielen Personen nur wenig Zeit zu kochen oder sich mit gesunder Ernährung auseinanderzusetzen, deshalb wird oft zu UPFs gegriffen. Die Lebensmittelindustrie spielt hier auch eine Rolle: mit raffinierten Strategien und gut überlegten Formulierungen sind moderne, verarbeitete Lebensmittel dazu designt, Verbraucher:innen regelrecht süchtig nach ihnen zu machen. Die Kombinationen aus Fett, Zucker und im Labor verarbeiteten Substanzen lösen Glücksgefühle aus und bringen uns dazu, mehr zu wollen.

 

Lebensmittelindustrie

Doch wer ist eigentlich diese Lebensmittelindustrie, die so viel Kontrolle über unsere Ernährung und Alltag hat? 

Monopolisierung und einige wenige, riesige Betriebe dominieren den Markt nicht nur in der Landwirtschaft sondern auch bei Supermarktketen. In Österreich haben beispielsweise Spar, Rewe und Hofer einen Marktanteil von 84%. Durch dieses große Monopol haben die Betriebe viel Macht am Markt und können die Preise den Produzenten mehr oder weniger einfach vorgeben. Die Lücke zwischen Erzeugerpreis und Verbraucherpreis wächst zunehmend, ein Großteil des Geldes, welches Konsument:innen für Lebensmittel ausgeben, landet beim Handel. In Österreich wurden diese Spannungen zwischen Produzenten und Einzelhandel zuletzt wieder durch den Konflikt zwischen NÖM und Spar sichtbar. Nachdem Spar eine Preiserhöhung von 10% bei NÖM-Produkten ablehnte, hörte die Firma auf die Supermarktkette zu beliefern.



Politik und Gesundheit

Auch in der Politik ist das Thema Gesundheit gerade wieder angesagt. In den Vereinigten Staaten will der neue Gesundheitsminister Robert F. Kennedy mit dem Projekt „Make America Healthy Again“ die Amerikaner:innen wieder gesünder machen. Auf den ersten Blick klingt das nach einer guten Idee: Amerika hat eine überdurchschnittlich ungesunde Bevölkerung und ein schlechtes Gesundheitssystem, in dem Personen oft erst Hilfe suchen, wenn es bereits zu spät ist. Die MAHA-Kampagne will bei der präventiven Gesundheitsversorgung ansetzen, auch um das System zu entlasten. Allerdings sollen anstatt struktureller Veränderungen individuelle Entscheidungen in den Vordergrund gerückt werden. Das Programm fokussiert sich damit auf kleinen, oft problematischen Themen wie „Zusatzstoffe und Lebensmittelfarben geben Kindern ADHS“ oder „fluoriertes Wasser macht und alle krank“. Kennedy diskreditiert außerdem medizinische Expert:innen und Ernährungswissenschaftler:innen. 

 

Auch in Europa wurde schon öfter das Konzept einer Zuckersteuer diskutiert, auch bei der Budgetkonsolidierung in Österreich war diese erneut Thema. Auf Produkte mit hohem Zuckergehalt soll damit eine Steuer gesetzt werden, um diese unattraktiver für Konsument:innen zu machen. Dies ist eine weitere Maßnahme, welche die Problematik nicht in der Produktion verortet, sondern die Verantwortung bei den Konsument:innen sieht. Während eine Zuckersteuer vor allem Personen mit weniger Einkommen überproportional schaden würde, könnten große Lebensmittelkonzerne unverändert weiter produzieren und möglicherweise sogar profitieren. 

Schlussendlich ist die Zuckersteuer auch immer noch eine Steuer und es ist unklar, wie der Staat die eingenommenen Gelder investieren würde. Ob das Geld in das Gesundheitssystem zurückfließen oder für die Behandlung von Krankheiten wie Diabetes oder Fettleibigkeit verwendet werden würde, ist fraglich.

 

Die Zuckersteuer und das MAHA Programm führen das Muster einer Industrie und Politik, die Verantwortung für Gesundheit eher auf Verbraucher:innen abwälzt anstatt auf eine groß angelegte Veränderung im System hinzuwirken, fort. 

 

Tools für Konsument:innen

Der Nutriscore auf vielen verpackten Lebensmitteln fällt in Supermärkten immer öfter auf. Das Label auf der Verpackung soll helfen, bewusstere und gesündere Entscheidungen beim Einkauf zu treffen. Grundsätzlich ist der Ansatz, Konsument:innen Tools hierfür zu geben eine gute Idee aber auch das Nutriscore System weist einige Probleme auf und kann irreführend sein. Zum einen ignoriert er die Zubereitung eines Lebensmittels, beispielsweise ob etwas vor dem Verzehr nochmals frittiert werden muss. Außerdem vergleicht der Score nur Produkte innerhalb der gleichen Kategorie, so sagt das Label auf einer Cornflakespackung lediglich aus, wie das Produkt im Verhältnis zu anderen Cornflakes steht. 

Eine alternative wäre ein System wie in Südamerika, welches direkt auf der Packung markiert, ob ein Produkt hohe Mengen an Fett, Salz oder Zucker hat. Außerdem dürfen auf Lebensmitteln mit hohen Zuckeranteil keine lustigen Figuren oder süßen Maskottchen, welche Kinder ansprechen könnten, gedruckt sein.

Regional und klimaschonend

Konsument:innen werden auch oft dazu angehalten, möglichst umweltschonend zu kaufen und sowohl auf Verpackungsmaterial als auch Regionalität zu achten. Der Transportweg eines Produkts macht allerdings nur 5-10% seiner CO2 Bilanz aus, die Verpackung nur 3%. Für die Umwelt ist die Produktion von Lebensmittel am belastendsten: der Verbrauch von Ressourcen wie Boden, Wasser und Energie bestimmen die Größe des Umweltfußabdrucks. Es ist also nicht immer wahr, dass regionale Produkte klimafreundlicher sind. Auch hier zeigt sich wieder das Abschieben der Verantwortung auf die Konsument:innen, welchen eingeredet wird, sie müssten im Supermarkt einfach nur die richtigen Entscheidungen treffen, um die Umwelt zu schützen. Ressourcenaufwendige, umweltschädliche Produktionsweisen sind dabei nebensächlich.

Linke Perspektiven

Die Gesundheit der Bevölkerung ist von zentraler Bedeutung, insbesondere in einer Zeit, in der immer mehr Menschen von kardiovaskulären Erkrankungen oder Diabetes Typ II, Krankheitsbilder, die unter anderem auf ungesunde Ernährung zurückgeführt werden können, betroffen sind. Als Linke sollten wir aber hinter vereinfachte Lösungsvorschläge der Politik und Marketingstrategien der Lebensmittelindustrie blicken. Perfektionsdruck und Obsessionen mit Selbstoptimierung stehen im Widerspruch zu unserem stressigen Arbeitsalltag und anderen ökonomischen Faktoren, die unsere Gesundheit beeinflussen. 

Es müssen bessere Bedingungen geschaffen werden, um Personen zu befähigen, sich gesund zu ernähren. Gemeinschaftsküchen wären hierbei beispielsweise ein vielversprechender Ansatz, die den Zugang zu gesunden Mahlzeiten erleichtern und gleichzeitig den sozialen Austausch fördern könnten. Die Lebensmittelindustrie sollte außerdem kein Interesse daran haben, Konsument:innen von ungesunden Produkten abhängig zu machen. Es benötigt Veränderungen der Produktions- und Vermarktungsstrategien, die nicht auf Profitmaximierung zulasten der Gesundheit gehen.

246 – Friss und Stirb: Die Lebensmittelindustrie
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