WIE GEHT’S WEITER MIT DER LINKSPARTEI?
Bei der Bundestagswahl im Februar erreichte die Linkspartei mit 8,8% ihr bislang bestes Ergebnis. Ein einheitlicher, äußerst beliebter Social Media Auftritt sowie eine landesweise Haustürgesprächs-Kampagne trugen maßgeblich dazu bei. Die Partei konnte ihre Präsenz im Bundestag damit nicht nur deutlich ausbauen, sondern auch ihre Mitgliederzahl verdoppeln. Doch nach dem Wahlergebnis stellt sich jetzt die Frage: Wie soll es mit der Partei weitergehen? Wie kann die Linke das Momentum nutzen und das Potenzial der vielen neuen Mitglieder sinnvoll einbinden?
Verdoppelt – und jetzt?
Mit über 100.000 Mitgliedern hat die Linke einen neuen Höchststand erreicht, die Partei verdoppelte sich innerhalb weniger Monate. Nach diesem immensen Zuwachs stellt sich jetzt die Frage, wie diese neuen Mitglieder möglichst gut eingebunden werden können um die Partei stärker aufzubauen, anstatt sie nach dem Wahlkampf wieder zu verlieren.
Ein Bildungsprogramm war bereits vor der Wahl in Planung, hierfür arbeitet die Linke eng mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung zusammen. Die Anpassung an die vielen neuen Mitglieder und ein Mangel an genügend Organisier:innen und Bildner:innen für so viele Neuzugänge sind Herausforderungen, denen sich die Partei jetzt stellen muss. Anknüpfungsmöglichkeiten werden in einer Vielzahl an Formaten geschaffen: mit niederschwelligen Neumitgliedertreffen, der Möglichkeit, bei dem Sozialsprechstundenprojekt die Linke hilft mitzuwirken und verschiedene Schulungen sollen den Einstieg in die Parteiarbeit ermöglichen. Spezifisch bei Schulungen werden Personen schnell eingebunden und können Methoden der Partei, wie Haustürgespräche oder Heizkostenprüfung, erlernen und anschließend selbst lokale Projekte aufbauen.
Haustürgespräche
Im Wahlkampf fokussierte sich die Linke auf die die hohen Miet- und Lebensmittelpreise, welche bei Haustürgesprächen am häufigsten als Probleme genannt wurden. Dieses Modell der aus Umfragen herausgehenden Kampagnenarbeit ist ein Konzept nach Vorbild der Partei der Arbeit in Belgien.
Das Format der Haustürgespräche war aber für den gesamten Wahlkampf der Partei zentral und stellte sich als weitaus effektiver als andere Wahlkampfaktionen wie Infostände heraus.
Insgesamt wurde an 600.000 Haustüren in ganz Deutschland geklopft, Parteimitglieder traten dadurch in direkten Kontakt mit Themen, welche die Personen vor Ort bewegten. Bei diesen Gesprächen ging es nicht nur um Stimmen, sondern um das tatsächliche in Kontakt treten mit realen Problemen der Menschen. Außerdem war es ein Ziel der Partei, die Mieter:innen dabei zu unterstützen, ihre Rechte wahrzunehmen und den direkten Austausch mit lokalen Politiker:innen zu ermöglichen. Bei Haustürgesprächen ging es allerdings nicht nur um Stimmen sondern vor allem um den Dialog – einen Weg, um mit den konkreten Alltagssorgen der Menschen in Berührung zu kommen. Direkte Interaktionen stellten sich besonders für Anwärter:innen auf Direktmandate als wertvoll heraus und unterschieden die Linke deutlich von anderen Parteien. Auch die KPÖ setzt bei ihrem aktuellen Wien Wahlkampf erstmals auf Haustürgespräche.
Auch nach dem Wahlkampf soll diese Aktion weitergeführt werden, im nächsten Jahr möchte die Linke an 100.000 weiteren Haustüren klopfen, um mit den Menschen im Gespräch zu bleiben und ihre Kampagne auf einem nachhaltigen Niveau weiterzuführen.
Politisches Projekt und Perspektive
Das breitere politische Projekt der Linkspartei zwischen Parlamentarismus und Sozialismus wirft viele Fragen auf. Die Linke will als „moderne, sozialistische Klassenpartei“ vor allem eine gesellschaftliche Gegenmacht aufbauen, um für systematische Verbesserungen für die arbeitende Klasse zu kämpfen. Als Partei, die sich selbst als sozialistisch versteht, ist eine Organisierung außerhalb des Parlaments für die politische Praxis der Linken sehr relevant. Mit Sozialsprechstunden soll eine linke Hilfsstruktur etabliert werden. Zusätzlich sollen im Wahlkampf gestartete Kampagnen zu Heizkosen und Mietendeckel weitergeführt werden und damit konstanter, zivilgesellschaftlicher Druck auf die Regierung ausgeübt werden.
Im Parlament will die Linke vor allem denjenigen eine Stimme geben, die unter den Kürzungen der neuen Regierung leiden; sie will lautstark auf Ungerechtigkeiten hinweisen und die Oppositionsrolle nicht der AfD überlassen.
Mehr über die Zukunft der Linken wird sich nach ihrem Parteitag im Mai, bei dem die Partei über einen neuen Leitantrag und Vision für die nächsten zehn Jahre abstimmen wird.
Innerhalb der Partei
In der Vergangenheit waren innerparteiliche Spannungen und Konflikte, welche beispielsweise auch zum Austritt der ehemaligen Parteivorständin Sahra
Wagenknecht führten, ein großes Problem der Linkspartei. Im Wahlkampf präsentierte sie sich allerdings sehr einheitlich.
Die Parteispitze erkennt den Pluralismus der Partei und der gesamten Linken an, setzt aber vor allem darauf, die Einheitlichkeit des Wahlkampfes weiter fortzuführen und sich nicht durch innere Streitereien nach außen hin zu schwächen. Die Linke soll Menschen organisieren und den Anspruch haben, politisch tonangebend zu sein. Die vielen neuen Mitglieder sollen als Chance begriffen werden, anstatt als Anlass, alte Lagerkämpfe zu reproduzieren.
Faktoren für Wahlerfolg und Lehren aus dem Wahlkampf
Bundesvorsitzende Ines Schwerdtner verortet den Erfolg der Linkspartei vor allem in der grundsätzlichen Erneuerung der Parteistrategie und die damit verbundene Einheitlichkeit der Partei, einen Fokus auf spezifischen politischen Themen sowie Haustürgespräche als wesentliche Methode.
Die Partei konnte aber auch von den Fehlern anderer Parteien und der daraus resultierenden Empörung der Bevölkerung profitieren. Zusammen mit einem starken Social Media Auftritt entwickelte sich dadurch eine Dynamik zwischen der Partei und Wähler:innen, die sich von der etablierten Politik im Stich gelassen fühlten. Vor allem junge Leute sprach die Social Media Strategie der Linkspartei an: Politiker:innen wie Heidi Reichinneck wurden gefeiert wie Rockstars und auch das linke Urgestein Gregor Gysi erlangte auf den verschiedensten Plattformen viel Zuspruch.
Der Wahlkampf der Linken zeigt neben der Relevanz von Planung und strategischen Entscheidungen auch wie wichtig es ist, politische Dynamiken zu erfassen um Wähler:innen abzuholen.
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