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239 - Broligarchie - Die Macht von Musk & Co

15.02.2025

Warum Silicon Valley immer schon reaktionäre Seiten hatte, wie ernst man „rechte Memelords“ nehmen muss, und was genau sie eigentlich wollen erklärt Miriam Frauenlob, langjährige Junge Linke Aktivistin und nun Ökonomin in New York.

Wer ist in der ersten Reihe, als Donald Trump am 20. Jänner seinen Amtseid als Präsident der Vereinigten Staaten ablegt? Elon Musk, Jeff Bezoz, Mark Zuckerberg. Vor acht Jahren, bei Trumps ersten Angelobung, war das anders. Bei Mark Zuckerbergs Meta war Trump zwei Jahre lang blockiert, Musk war einst als „Öko-Unternehmer“ bei den Republikanern unbeliebt.

Davon ist nichts mehr zu spüren: Musk setzte sich im Wahlkampf intensiv für Trump ein und leitet nun DOGE, das „Department for Government Efficiency“, wo er offen zugibt, als erstes die staatliche digitale und IT-Infrastruktur unter die Kontrolle seiner Leute bringen zu wollen. Viele weitere Tech-Giganten spendeten ebenfalls laut und stolz für Trumps Wahlkampf – insgesamt rund 273 Millionen US-Dollar – und unter dem neuen Eigentümer Jeff Bezos verzichtete die Washington Post erstmals auf eine Wahlempfehlung. Spätestens seit Trumps Wahlsieg aber haben sich die Eliten der Tech-Welt endgültig hinter Trump versammelt. Bei einer Party, die der sehr rechte langjährige Trump-Unterstützers und PayPal-Gründer Peter Thiel für Trump veranstaltete, tummelten sich auch Mark Zuckerberg und Open AI Chef Sam Altman.

Sie sehen wohl in Trump einen Verfechter ihrer Interessen – einerseits materiell, aber auch ideologisch. Ob es politischer Opportunismus ist, Überzeugung oder Bestechlichkeit (Trump prahlte ja bei einem Wahlauftritt 2015 damit, Geldgeschenke für Gefälligkeiten zu verteilen), ist schwer genau zu eruieren. Doch viele trauen sich jetzt, Dinge zu sagen, die sie früher für sich behalten hätten und prägen damit auch gleichzeitig das politische Klima selbst. So wünschte sich Zuckerberg vor kurzem etwa „mehr männliche Energie“ an Arbeitsplätzen.

Silicon Valley – früher mitte-links?

Dabei waren die Ursprünge von Silicon Valley wirtschafts- aber auch gesellschaftspolitisch eher liberal, mit dem Wunsch nach freien Märkte, Innovation und Reichtung, aber auch Emanzipation durch Internet und Digitalisierung. Die Logik war: es ist egal welche Hautfarbe man hat oder wen man liebt, solange man innovativ ist und viel Profit macht. Das beste Beispiel dafür ist Bill Gates, der unlängst sagte, er habe immer gedacht, Silicon Valley sei mitte-links. „Mitte-links“ hat in den USA andere Konnotationen als hier, aber der dort übliche Terminus „Liberals“ trifft auf viele der Tech-Urgesteine wahrscheinlich zu. Es käme ihnen nie in den Sinn, den Kapitalismus zu hinterfragen, der für sie so gut funktioniert hat, doch ein gewisses Bewusstsein für ihre privilegierte Situation und der Wunsch, das durch Philantrophie auszugleichen, ist vorhanden.

Gleichzeitig gab es jedoch in Silicon Valley immer auch einen sehr reaktionären Flügel. Schon in den 1990er-Jahren warnten Beobachter:innen vor den rechts bis rechtsextremen Positionen in der Tech-Welt. George Gilder, ein neoliberaler Investor und Ökonom, wurde in Silicon Valley als Innovator und Influencer gefeiert. Dabei sind seine Positionen extrem sozialkonservativ: Frauen sollten wieder Hausfrau und Mutter sein, Homosexualität und Lebensweisen abseits der Kleinfamilie seien der Abgrund Amerikas. Diese Ansichten hielt er schon in den 1970ern im Buch „Sexual Suicide“ fest. Dort beschreibt er die sexuelle Revolution als gesamtgesellschaftlichen Selbstmord. In den 1990er-Jahren besprach er als Investment Influencer in einem Newsletter die neuesten Tech- und Internet-Trends, seine Vorstellungen von Technologie und Internet gingen aber immer Hand in Hand mit reaktionären Positionen: Der Unternehmer und Investor, als klassischer männlicher Alleinverdiener, solle den Rückhalt der Gesellschaft wieder stärken und die männliche Vorherrschaft wiederherstellen. Diese reaktionäre Ideologie ist inhärenter Teil der Logik in der Tech-Branche: Letztendlich steht dahinter eine extrem sozialdarwinistische Haltung.

Wer hält die Zügel in der Hand?

Zurück im hier und jetzt: Die „Tech-Bros“ wirken mehr wie rechte Memelords als wie ernstzunehmende politische Kräfte. Diese inszenierte Abgrenzung von der Biederkeit der Demokraten hilft diesen Multi-Milliardären (wie auch schon Donald Trump), Anti-Establishment Street Cred vorzugaukeln. Doch tatsächlich sind sie das Establishment: politisch einflussreiche Männer in Machtpositionen. Sie kontrollieren Infrastrukturen, die unser aller Leben prägen, auch über die USA hinaus: Soziale Netzwerke, die unsere Debatten kanalisieren; Algorithmen, die unsere Wahrnehmung steuern; Cloud-Imperien, auf denen ganze Staaten ihre Daten lagern. Mark Zuckerberg verwaltet die digitale Identität von Milliarden Menschen weltweit, Peter Thiel ist mit PayPal und Palantir in den Bereichen Zahlungsströme und Überwachung unterwegs und Bezos’ Amazon dominiert den Welthandel. Es ist wie eine „Oligarchie der Tech-Bros“.

Trägt Trumps eklektische „schnell zerschlagen, bevor Widerstand aufkommen kann“ Politik seit seiner Angelobung vor einem Monat – etwa die Entlassung tausender Staatsbeamten, das Streichen finanzieller Mittel für ungeliebte staatliche Institutionen oder die Kündigung internationaler Verträge – ihre Handschrift? Wohl nur, solange es Trump passt; für unterschiedliche (ökonomische) Interessen oder andere Ansichten ist kein Platz.

Das erlebte bereits der ehemalige Republikanische Präsidentschaftskandidat und später Trump-Unterstützer Vivek Ramaswamy. Ursprünglich sollte der reiche Investor gemeinsam mit Musk DOGE leiten. Doch nachdem er sich im Wahlkampf für Arbeitsvisa für gut ausgebildete Arbeitskräfte aus dem Ausland, so genannte H1B-Visa, eingesetzt hatte, im direkten Kontrast zu Trumps Politik, fiel er wohl aus der Gnade; Musk leitet DOGE alleine. Für Arbeitgeber sind H1B-Visa eine gute Möglichkeit, gute und kontrollierbare Arbeitskräfte zu bekommen, doch andere Unternehmer halten sich mit ihrer Kritik an Trumps Visumspolitik nun zurück.

In den meisten Punkten decken sich die Interessen jedoch; materiell wollen die Tech-Milliardäre erst einmal das Gleiche wie andere Milliardäre: wenig Regulierung, wenige Steuern. Der AI-Sektor ist der neue Bankensektor, sozusagen, und damit sich die Steuerzuckerl für Reiche rechnerisch ausgehen, macht Musk mit DOGE radikale Kürzungspolitik in anderen Bereichen.

TikTok und DeepSeek – der Wettlauf mit China

Ein Bereich, in dem Tech-Branche und US-Politik an einem Strang ziehen wollen, ist der Konflikt zwischen USA und China. Auf Technologieebene geht es um Spionage-Befürchtungen und die Bedenken der USA, sensible Daten könnten in die Hände der chinesischen Regierung gelangen. Geopolitisch ist das Ziel der USA, von chinesischen Produkten unabhängiger zu werden und gleichzeitig China auch keinen Zugriff auf amerikanische Technologien zu geben. Bereits Bidens Industriepolitik war stark darauf fokussiert, die Autonomie der USA in Bezug auf China zu stärken. Unter ihm wurde der aus Trumps erster Amtszeit stammende Vorschlag eines TikTok-Verbots umgesetzt, sein CHIPS-Act hatte das Ziel, in Lieferketten amerikanischer Produkte weniger stark auf chinesische Tech-Firmen angewiesen zu sein und Ende 2024 verschärfte er Exportkontrollen in der für den KI-Sektor wichtigen Halbleiter-Branche.

Die aktuelle Kontroverse in diesem Konflikt betrifft den KI-Sektor. Bei der Entwicklung von KI ging es von Anfang an um einen Wettlauf zwischen den USA und China und um die jeweiligen nationalen Sicherheitsinteressen, ähnlich der Space Race in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Nun erschien die chinesische KI „DeepSeek“. Diese funktioniert ähnlich wie Chat GPT, hat aber angeblich in der Herstellung nur einen Bruchteil gekostet und braucht weniger Rechenleistung. Für die amerikanische Tech-Elite, die davon ausging, im KI-Bereich China meilenweit voraus zu sein, war das ein schwerer Schock. Daraus entwickelt sich jetzt beinahe ein kalter Krieg um KI, bei dem unendlich viele Ressourcen verschwendet werden. Dabei wird die geopolitische Machtstellung auch vor Sicherheitspolitik gestellt; ein Bericht vom MIT kam zum Schluss, dass durch den Fokus auf KI viele Sicherheitslücken unbeachtet bleiben oder für ihre Behebung nicht ausreichende finanzielle Mittel vorhanden sind.

Politinstrument Medien

Im Zusammenhang mit Macht, Technologie und KI stehen auch die Medien. Donald Trump hatte immer ein schwieriges Verhältnis mit den „etablierten Medien“ und kämpfte schon während seiner ersten Amtszeit gegen sie an. Im von Trump-nahen Wissenschaftler:innen entworfenen Plan für Trumps zweite Amtszeit, „Project 2025“, werden nun eine Reform des öffentlichen Rundfunks und ein Streichen aller Förderungen für zwei öffentliche linke Radiosender gefordert.

Dieses schwierige Verhältnis galt lange Zeit auch für Social Media; Trump wurde sogar auf Meta und der Plattform X (damals Twitter) wegen Verbreitung von Hassreden gesperrt. Hier funktioniert die Trump-Tech-Symbiose perfekt, denn Trumps mächtige Freunde konnten helfen: Nach seiner Twitter-Übernahme hob Elon Musk die Sperre auf und änderte die Einschränkungen von Hassregeln. Im Wahlkampf pushte er auf X pro-Trump-Inhalte und verbreitete KI-generierte falsche Videos über die Wahl oder über Migrant:innen. Und auch Zuckerberg schafft nun die Fakenchecks auf Facebook ab.

Statt der „etablierten Medien“ setzt Trump also zunehmend auf Online Plattformen für seine Politik und lädt nun auch „neue Stimmen der Medien“, also Social Media Influencer:innen zu Pressebriefings ein, wo früher nur die großen öffentlichen Zeitungen waren. Das ist strategisch schlau und klingt auch erst einmal vernünftig, allerdings kann er diese dann handverlesen. Auf Social Media ist er ohnehin beliebt, nicht nur auf X, sondern zum Beispiel auch auf TikTok. Dort gab es doppelt so viele pro-Trump- wie pro-Biden-Posts, seit Biden anküdigte, dass die chinesischen Eigentümer TikTok verkaufen müssten, obwohl das ja eigentlich Trumps Idee war.

Post-Kapitalismus von Rechts

Dass reiche Männer Einfluss auf das politische Geschehen nehmen, ist nichts Neues. In der Vergangenheit war es eben der Finanzsektor, der auf die Politik (etwas versteckter) Einfluss genommen hat. Was aber anders ist, ist das Verhältnis, das diese Tech-Milliardäre zum kapitalistischen Staat haben. Wenn man sich ihre libertären Fantasien, etwa Musks Wunsch, den Weltraum zu privatisieren, oder Peter Thiels Traum von libertären, steuerfreien Kolonien, genauer ansieht, fällt auf, dass es weniger darum geht, Macht im Staat zu bekommen und die eigenen politischen Interessen abzusichern, sondern sich über den Staat hinwegzusetzen.

Ein gutes Beispiel dafür sind Cryptowährungen, die von Musk & Co propagiert werden: Diese Währungen sind aus dem Wunsch heraus entstanden, sich über die etablierten Strukturen des Währungssystems hinwegzusetzen. Die Elite Silicon Valleys war begeistert, dass El Salvador unter der Präsidentschaft des rechten Unternehmers Nayib Bukele BitCoin als offizielles Zahlungsmittel zuließ. Doch aus staatlicher Sicht wird das in den USA nicht möglich sein: Der Dollar und seine Macht bildet gemeinsam mit dem Militär die Grundlage für die geopolitische Stellung der USA; die Einführung von BitCoin als Zahlungsmittel steht im diametralen Widerspruch zum machtpolitischen Erhalt der US-Hegemonie.

 

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